Auf dem Weg zur digitalen Souveränität mit einem EU-Workplace-Stack

Erkenntnis & Challenge Accepted

Unser Workplace-Stack war stark von US-Services geprägt: Google Workspace für Mail, Drive und Meetings, ergänzt durch Tools wie Notion, Harvest, Reclaim.ai und Slack. Praktisch, effizient, skalierbar – aber eben auch sehr einseitig.

Für uns war es weniger eine akute Gefahr als vielmehr ein Lernfeld, das viele andere Unternehmen genauso betrifft:

  • Wie gehen wir mit Abhängigkeiten von einzelnen Cloud-Anbietern um?
  • Welche Alternativen gibt es in Europa?
  • Und wie alltagstauglich sind diese Lösungen wirklich?

Genau diese Fragen wollte ich für uns beantworten. Statt die Hände in den Schoß zu legen, habe ich gesagt: Challenge Accepted. Grade die Anwendung von lokalen Hostern und Cloudanbietern wie IONOS, StackIT, … ist ein Wachstumsfeld.

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Schritt 1 – Screening & Evaluierung

Um das Projekt strukturiert anzugehen, habe ich unseren bisherigen Stack in Kategorien zerlegt:

  • Kommunikation & Kollaboration
  • Dokumentenmanagement & Filesharing
  • Produktivität & Organisation
  • Finance & Operations
  • Sicherheit & Zugriff

Für jede Kategorie habe ich Kriterien definiert: Datenhaltung in der EU oder Schweiz, offene Standards (z. B. CalDAV), Integration, Performance, Kosten, Support und Benutzerfreundlichkeit.

Das Screening zeigte: Viele Anbieter versprachen DSGVO-Konformität, doch in der Tiefe fehlte oft Transparenz. Andere überraschten positiv – vor allem Open-Source-Lösungen, die sich mit deutschem oder schweizer Hosting kombinieren lassen.

Schritt 2 – Der neue Stack

Kommunikation & Kollaboration

  • Proton Mail & Proton Calendar (Schweiz) für sichere Kommunikation und Terminplanung
  • Rocket.Chat (gehostet in Deutschland) für interne Chats
  • Slack bleibt in einer Übergangsphase bestehen, da mehrere Partnerunternehmen noch darüber angebunden sind
  • Matrix mit Bridges prüfen wir als Option, um Slack-Integrationen künftig eleganter zu lösen
  • Eigene Jitsi-Instanz (Deutschland) für Videokonferenzen

👉 Übergangsproblem: Die Integration von Rocket.Chat mit Slack ist technisch machbar, aber komplex. Chatbots und Bridges funktionieren nicht reibungslos. Daher fahren wir aktuell einen Hybrid-Ansatz: intern Rocket.Chat, für externe Partner noch Slack.

Dokumente & Filesharing

  • Nextcloud (Deutschland) als zentrale Plattform
  • OnlyOffice integriert in Nextcloud für kollaborative Dokumentbearbeitung – funktional und performanter als Google Docs/Sheets/Slides
  • Proton Drive (Schweiz) als sichere Cloud-Ablage

Produktivität & Organisation

  • Kollective als Ersatz für Notion – nahezu gleicher Markdown-Support
  • Nextcloud Deck als Ersatz für Trello
  • Nextcloud Tasks, synchronisiert über CalDAVx5 mit dem Tasks.org** Client** (statt Google Tasks / Reclaim.ai)
  • Nextcloud Whiteboards als Ersatz für Miro – aktuell funktional, aber noch nicht auf Workshop-Niveau von Miro

Finance & Operations

  • Harvest bleibt übergangsweise im Einsatz. Eine EU-Alternative ist noch in Evaluierung.

Sicherheit & Infrastruktur

  • Proton Pass (Schweiz) für Passwort-Management
  • VPN über europäische Anbieter
  • Hosting unserer zentralen Services in Deutschland und der Schweiz

Vorher–Nachher im Überblick

Kategorie Alter Stack (US) Neuer Stack (EU/DE/CH) Status
E-Mail & Kalender Google Mail, Google Calendar Proton Mail, Proton Calendar (CH)
Videokonferenzen Google Meet Eigene Jitsi-Instanz (DE) 🚧 Raum-Integration offen
Chat & Messaging Slack, Google Chat Rocket.Chat (DE), Slack (Übergang), Matrix als Bridge-Option 🚧 Hybrid-Phase
Dokumente & Filesharing Google Drive, Docs/Sheets/Slides Nextcloud + OnlyOffice (DE, schneller als Google) + Proton Drive (CH)
Wissensmanagement Notion Kollective (Markdown, DE)
Tasks & Projektmanagement Trello, Google Tasks, Reclaim.ai Nextcloud Deck + Nextcloud Tasks (CalDAV → Tasks.org) (DE)
Zeiterfassung Harvest (noch Harvest, EU-Alternative in Prüfung) 🚧
Passwortmanagement OnePassword Proton Pass (CH)
Whiteboards Miro Nextcloud Whiteboard (Test, DE) 🚧
Sicherheit & Infrastruktur Google Cloud, US-Hosts Hosting in Deutschland/Schweiz, EU-VPN
Produktivität (AI) Google Docs AI, Notion AI – (EU-LLMs wie Aleph Alpha, Mistral in Evaluierung) 🚧
Terminplanung Reclaim.ai Proton Calendar (CH) 🚧 Automatisierung fehlt

Schritt 3 – Offene Punkte & nächste Schritte

Noch ist nicht alles perfekt. Drei große Baustellen bleiben:

  • Videokonferenzräume: Jitsi funktioniert remote sehr gut, aber die Integration mit Hardware-Systemen in Meetingräumen ist schwierig.
  • AI-Support: Viele Komfortfunktionen in Google & Notion hängen an AI. Hier prüfen wir Alternativen wie Aleph Alpha oder Mistral.
  • Terminplanungs-Assistenten: Tools wie Reclaim.ai fehlen uns, eine EU-Alternative ist noch nicht in Sicht.
  • Whiteboards: Nextcloud Whiteboard ist ein Anfang, aber noch kein Ersatz für Miro in großen Workshops.

Fazit – Ein Schritt in Richtung digitaler Souveränität

Unser Weg zeigt: Es ist möglich, einen vollständigen Workplace-Stack mit europäischen Lösungen aufzubauen. Nicht alles ist gleich bequem wie bei den US-Pendants, und manche Komfortfunktionen fehlen noch. Der Neue Stack ist dazu erheblich kostengünstiger, als der bisherige Work-Place Stack.

Aber wir haben heute:

  • volle Datenhoheit
  • Hosting in Deutschland und der Schweiz
  • offene Standards und Schnittstellen
  • Resilienz gegen geopolitische Risiken

Für uns war dieser Schritt kein Rückzug, sondern ein bewusstes Vorangehen – hin zu digitaler Souveränität, Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit.

Kai Herings

Kai Herings

Leitender Berater

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